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Schulsanitäter im Dauertraining

Wiederholungen gehören immer dazu. Manchmal werden die Teilnehmer an der „Schulsanitäter AG“ regelrecht gedrillt – damit im Notfall jeder Handgriff sitzt.

„Wenn ich die Erstversorgung eines Knochenbruchs nur einmal im Jahr trainiere, dann bringt das nichts“, sagt Jessica Arens-Friedrich. Sie leitet seit 2018 die Arbeitsgemeinschaft. Langweilig wird den 16 Teilnehmern trotz der wiederkehrenden Diagnosen nicht. Es gebe für die Ausbildung „tolle Erste-Hilfe-Spiele“, die vom Deutschen Roten Kreuz (DRK) oder dem Malteser Hilfsdienst entwickelt worden seien. Dann sucht Arens-Friedrich Fallbeispiele aus. Bewusstlosigkeit, offene Wunden oder Herzstillstand. 

Arens-Friedrich weiß, wovon sie redet. Die medizinische Fachangestellte arbeitete viele Jahre für die Schüchtermann-Klinik in Bad Rothenfelde, einem der modernsten Herzzentren Deutschlands. Sie hat Berechtigungsscheine für Reanimationen und war im Bereich für Herzkatheder tätig. Den zu legen ist für Schulsanitäter nicht vorgesehen. Aber Arens-Friedrich kennt sich auch mit vermeintlich banalen Rettungsvorgängen wie der stabilen Seitenlage aus. Darum wird es besonders spannend, wenn sie die Fallbeispiele mit ihren eigenen Erlebnissen aus dem Klinikalltag garniert. 

Nachwuchsprobleme gibt es nicht. Insgesamt machen 16 Schüler mit. „Das ist die Obergrenze“, meint Arens-Friedrich, „sonst ist das Training am Mittwoch in der 7. und 8. Stunde nicht mehr intensiv genug“.  

 

„Eine hyperventilierende Schülerin war schon krass“ 

Wer die AG wählt, der macht gerne mit. Und die „Schulsanis“ werden für viele der jüngeren Oberschüler zu echten Vorbildern. Darum meldete sich Veronika Wolstein zur AG und gehört neben ihrer Freundin Merle Diehl (beide 10a) zu den dienstältesten Mitgliedern. „Unsere Schülerpaten, die wir seit der 5. Klassen kannten, waren schon dabei“, erzählt Veronika, „ich habe gesehen, wie meine Patin einer Freundin einen Stachel aus dem Finger gezogen hat. Dann wollte ich auch mitmachen und durfte endlich ab der 8. Klasse in die AG“. 

Meist verletzen sich Schüler auf dem Pausenhof. Wenn etwas während der Unterrichtszeit passiert, ruft Sekretärin Mechthild Kern die Sanitäter über die Sprechanlage aus. „Oft sind das Fünftklässler, die hingefallen sind“, lächelt Veronika, „die haben Schürfwunden und bekommen ein Pflaster“. Vor Monaten habe sie eine hyperventilierende Schülerin erlebt, das sei „schon sehr krass“ gewesen. Dann versorgte sie einen Mitschüler mit Kreislaufzusammenbruch. „Wir haben natürlich auch den Krankenwagen gerufen.“ Damit im Einsatz niemand die Nerven verliert, bereitet Jessica Arens-Friedrich das Sani-Team auf alle Eventualitäten vor: „Auch ein Lehrer kann umfallen.“ 

 

Raum für Sanitäter gleicht einer Abstellkammer 

Zu den Sanitätern gehört ebenso Arens-Friedrichs Sohn Tjark aus der 9a. Ihm ist es mit inzwischen 15 Jahren überhaupt nicht peinlich, dass „Mutti“ die AG führt. Die ist fast täglich vor Ort, aber nicht um ein vergessenes Pausenbrot hinterherzuschleppen. Sie leitet noch eine „Lernzeit“, die AG „Mädchensport 5 bis 10“ und organisiert die Termine für Feiern der Abschlussschüler mit.  

Arens-Friedrich geht gerne in die Oberschule. Etwas schade findet sie es nur, dass der Raum für die Schulsanitäter den Charme einer Abstellkammer ausstrahlt. Ohnehin beengt, stapeln sich hinter den Stellwänden mit den Erste-Hilfe-Plakaten eine Menge Stühle und Stehtische, die für Veranstaltungen im Foyer gebraucht werden. Ein anderer Raum ist im Erdgeschoss nicht zu finden. Dort aber müssen die Sanis während der Pausen ihr Lager haben, um per Rufbereitschaft schnell am Umfallort zu sein. Hoffnung macht den Helfern der Neubau ab 2022. Spätestens dann werden sie mehr Platz haben. 

Passiert etwas auf dem Schulhof, dann müssen die Verletzten schon mal einige Stufen in Richtung Sani-Raum getragen werden. Das kann für beide Seiten eine Qual sein. „Darum brauchen wir dringend Transporttücher“, sagt die Leiterin. 

Sonst ist ihr Team gut ausgerüstet. Belms Gemeindeverwaltung hat ein Blutdruckmessgerät angeschafft. Die „Apotheke an der Lindenstraße“ spendete ein, wie es Arens-Friedrich nennt, „üppiges Paket“ mit Kompressen, Verbänden und Kühlakkus. Der Erste-Hilfe-Rucksack ist ein Geschenk der Malteser. Schön wäre auch ein Koffer mit Schminkutensilien. Damit die Verletzungen in den Fallbeispielen echter aussehen und sich Mitschüler auch mal richtig erschrecken. 

Im Regal stehen eine Menge Ordner und Kisten für Ausbildungsliteratur. Abgelegt werden Protokolle, die die jungen Helfer nach den Vorfällen schreiben. „Häufig finden wir da Hautabschürfungen. Es ist aber schon mal ein Schüler durch eine Glastür geflogen“, so Arens-Friedrich. In der AG wird jedes Protokoll von den Ersthelfern selbst vorgestellt. Manöverkritik gehört also dazu. „Was ist passiert? Was ist gut gelaufen? Was können wir besser machen?“ 

 

Wertvollen Preis bei Wettkampf für Schulsanitäter gewonnen 

Tatsächlich sind die Belmer Ersthelfer schon sehr sicher bei ihrer Arbeit. Das bekamen sie im letzten Jahr jedenfalls beim Wettbewerb für Schulsanitäter attestiert. In einer Bremer Messehalle nahmen über 140 Gruppen aus Norddeutschland teil. Das Team mit Justin Lingnau, Marvin Moor, Tjark Friedrich und Celina Kaiser holte den 9. Platz. Sie lösten an etlichen Stationen Fallbeispiele der Ersten Hilfe. Immer war ein Punktrichter strenger Beobachter – und alles musste auf Zeit funktionieren. 

Als Preis gab es einen Gutschein für den Besuch einer Boulder-Halle. Dorthin wollte Arens-Friedrich mit ihren Schülern im Juni fahren. Wegen der Coronakrise hat der Kultusminister jedoch alle Ausflüge verboten. So geht sie im neuen Schuljahr auf die Reise und hofft, dass in der Boulderhalle keiner der Ersthelfer selbst versorgt werden muss. Und wenn doch? Ihre Helfer werden souverän reagieren wie schon so oft auf dem Schulhof.