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Das zehrt an den Kräften

Die Menschen, die der gelernte Krankenpfleger Kai Uthmann versorgt, nennt er nicht Patienten. „Wir sprechen von Gästen“, so Uthmann vor den Religionskursen des 9. Jahrgangs über seine Arbeit im Hospiz.

Uthmann betreut im Osnabrücker Hospiz schwerstkranke Menschen in der Endphase ihres Lebens. „Das ist ein Sterbehaus“, so der 52-Jährige. Die meisten Gäste haben Krebs. „Bei uns sollen sie weder Schmerzen noch Übelkeit oder Angst verspüren. Wir wollen ihnen ein schönes Heim geben.“ Eine Frau habe noch ein halbes Jahr gelebt, sagte Uthmann zu den Schülern. „Manche sind allerdings nur einen Tag bei uns.“

Das Osnabrücker Hospiz gibt es seit 1994, entstanden durch das Engagement einer Bürgerinitiative. Die Kapazität: Elf Zimmer, jeder Gast wohnt allein. Kai Uthmann arbeitet seit drei Jahren im Hospiz. An die Oberschule Belm hatte ihn Lehrerin Jana Franz passend zur Unterrichtseinheit „Sterben, Tod…und was dann?“ eingeladen.

Wünsche werden erfüllt
„Leben. Bis zuletzt“, heißt es im Logo des Hospizvereins. Das Motto setzen die Mitarbeiter im Haus an der Osnabrücker Johannisfreiheit um. „Wenn ein Gast mitten in der Nacht ein Spiegelei essen möchte, dann brate ich ihm eins. Und wenn jemand die letzte Zigarette rauchen möchte, dann schieben wir ihn nach draußen und rauchen mit ihm“, erklärte Uthmann den Schülern. Einem Bewohner habe er die Zigarette halten müssen, weil der es nicht mehr ohne Hilfe geschafft hätte. Auch Alkohol sei im Hospiz erlaubt.

Die Pfleger sind mit den Bewohnern nicht allein. Hausärzte mit einer Spezialausbildung für Palliativpatienten unterstützen Uthmann und seine Kollegen. Insgesamt kümmern sich über 200 Ehrenamtliche und rund 60 festangestellte Mitarbeiter um die Gäste. Die Pflege- und Krankenkassen finanzieren das Hospiz. Wichtig seien weiterhin auch Spenden. Je Bett und Tag entstehen Kosten von etwa 380 Euro.

„Wir alle möchten den Bewohnern das Leben so angenehm wie möglich machen“, sagte Uthmann. Das passiere durch Fuß- oder Handmassagen und auch unterhaltsame Zusammenkünfte in der Wohnküche. „Dort haben wir Gesellschaftsspiele, veranstalten auch mal Lieder- oder Bingoabende.“

Die Einrichtung des Hospizes erklärte Uthmann den Neuntklässlern mit Fotos. „Bei uns sieht es nicht aus wie im Krankenhaus. Die vielen Unterstützer haben alles sehr wohnlich eingerichtet.“ Auf einem Bild präsentierte Uthmann eine Kerze. „Die wird immer dann angezündet, wenn ein Gast verstorben ist.“

Auf Nachfrage berichtete der Pfleger, dass im Hospiz keine Kinder aufgenommen werden. Dafür gebe es in Osnabrück noch kein stationäres Hospiz. „Seit ich hier arbeite, war der jüngste Gast 20 Jahre alt, der älteste.“

Ob der Arbeitsplatz eine große psychische Belastung darstelle, interessierte die Schüler. Da er bereits drei Jahrzehnte als Krankenpfleger gearbeitet habe, sei der Tod für ihn „nichts Ungewöhnliches“. Es würden aber nicht alle Gäste des Hospizes auch dort versterben. „Einige erholen sich und haben daheim noch ein paar schöne Monate.“

Corona-Maßnahmen treffen Sterbende hart
Die Corona-Pandemie und die Vorsichtsmaßnahmen erschweren die Arbeit im Hospiz. „Jeder Gast darf zur Zeit nur drei Angehörige auswählen, die ihn besuchen können.“ Allein diese Entscheidung zu treffen, sei für viele schon sehr schwierig.

„Entstehen zu Ihren Gästen auch Freundschaften?“, fragte eine Schülerin. Das sei für ein gutes „Nähe- und Distanzverhältnis“ schwierig, so Uthmann. „Natürlich bewegt es mich, wenn da eine erst 35 Jahre alte Frau liegt und ein kleines Kind hat. Ich kann das nicht so einfach abschütteln. Man lernt aber, damit umzugehen. Mir ist es wichtig, im Privaten einen guten Ausgleich zu haben.“

Anstrengend sei die Arbeit daher sowohl für den Geist als auch den Körper. „Wenn jemand stirbt, zehrt das an den Kräften, weil wir auch die Angehörigen begleiten.“ Geweint habe er in diesen Situationen auch. „Es gibt bei uns Wochen, in denen kein Gast stirbt. Dann haben wir Tage, an denen vier oder fünf sterben.“

Die Pfleger waschen die Toten noch im Bett und ziehen sie an. „Die meisten haben ihre Kleidung dafür noch aussuchen können. Wir machen das sehr pietätvoll.“

„Die Arbeit macht mich sehr zufrieden“, bekannte Uthmann vor den Oberschülern. Oft spendet er Trost. „Nachts, wenn es dunkel wird, bekommen viele Menschen Angst. Die Angehörigen sind schon weg. Wir setzen uns dann stundenlang ans Bett und unterhalten uns. Die erzählen aus ihrem Leben. Das ist sehr interessant – bei jedem Einzelnen.“